Dezember 2017 / Business Campus München : Unterschleissheim / Münchner Merkur
Die BMW-Fahrschule für den Autopiloten
Unterschleißheim - Auf den Wegweisern in Unterschleißheim steht noch Cassidian. Dort war die Zentrale der Verteidigungssparte des Airbus-Konzerns, die inzwischen vom Norden Münchens nach Ottobrunn verlagert wurde. Doch in den Gebäuden – die zum Teil noch Baustelle sind - tut sich inzwischen viel Neues: Dort sollen - wenn der Umbau fertig ist - 1800 Mitarbeiter von BMW Rechner zu Autofahrern machen. Über 500 sind bereits da. Im BMW-Campus für automatisiertes Fahren entsteht eine Schlüsseltechnologie für die Mobilität der Zukunft. Das soll nur noch wenig mit dem zu tun haben, was heute schon möglich ist: Der Fahrer moderner Autos kann auf der Autobahn die Hände vom Steuer nehmen. Er muss aber immer aufpassen, dass der Rechner - etwa beim Überholen oder beim Spurwechsel - nichts falsch macht. Er hat schließlich die Verantwortung. In wenigen Jahren sollen die Fahrer - auch auf der Landstraße und in der Stadt - das Steuer ganz dem Rechner überlassen können und sich um ganz andere Dinge kümmern. ,,Eine riesige Herausforderung", wie BMW-Entwicklungsvorstand Klaus Fröhlich sagt. Denn in wenigen Jahren sind nach seinen Worten noch „signifikante technologische Durchbrüche erforderlich". Das wird schon sichtbar; wenn man einen Blick in die Autos der BMW-Versuchsflotte wirft. Die haben zwar die gesamte Hardware an Bord, die später fürs autonome Fahren gebraucht wird. Doch der Rechner füllt den gesamten Kofferraum eines 7er BMW vollständig aus. Er wird aber bald in ein Kästchen passen, das kaum größer ist als heute ein Autoradio.
Doch die eigentliche Kärrnerarbeit ist die Software. Bis zu 48 Sensoren – Kameras, Radarsensoren oder Laserscanner – erfassen die Umgebung und setzen die Daten zu einem Bild zusammen, von einem „Sensorcluster“ spricht Fröhlich.
Damit kann der Rechner im Auto die Umgebung mittlerweile bereits besser erfassen als die meisten Fahrer. Er weiß auch immer präzise, wo das Fahrzeug gerade ist. Nicht mehr nur mit einer Genauigkeit von mehreren Metern, wie es die Satellitennavigation per GPS erlaubt, sondern auf wenige Zentimeter. Dazu gleicht er die erfassten Sensordaten und Signale mit den hochauflösenden elektronischen Karten des Kartendienstes Here ab.
Vor allem dafür hat BMW gemeinsam mit anderen Autobauern Here – ursprünglich eine Entwicklung von Nokia – übernommen. Doch bei der Beurteilung der erfassten Situationen ist der Mensch dem Rechner noch haushoch überlegen. Parkt ein Auto am Straßenrand oder fährt es bereits an? Um das zu beurteilen, muss dem Rechner die Urteilsfähigkeit mühsam mit tausenden von Einzelsituationen per Software antrainiert werden.
Wenn ein Fußgänger sich der Straße zuwendet, weiß jeder Autofahrer spontan, er könnte jeden Moment über die Straße laufen. Doch der Computer muss die Beurteilung von Situationen allmählich erlernen. Er kann – anders als ein Mensch – nicht intuitiv entscheiden.
Und er braucht ständig Kontakt mit einem Zentralrechner. Das Datenvolumen, das dabei bewältigt werden muss, beträgt künftig unvorstellbare 500 Petabyte. Das ist das 500.000-Fache dessen, was ein handelsüblicher PC heute schafft. Allein in einer einzigen Arbeitsschicht überträgt jedes Auto 40 Terabyte. Es ist noch ein Generationensprung im Mobilfunknetz erforderlich, bis das flächendeckend möglich wird. Nur in seltenen Fällen müssen die autonomen Versuchsautos zum Training der Rechner wirklich auf die Straße. 95 Prozent der Übung sind Simulation, nur fünf Prozent echter Fahrbetrieb.
Ob Autos wirklich autonom fahren dürfen, wird von der Rechtslage des jeweiligen Landes abhängig sein. Da sind die Würfel längst noch nicht gefallen. Und es hängt in jedem Einzelfall vom Fahrer ab. ,,Bei uns wird immer der Kunde entscheiden, in welchem Modus er fährt, sagt Entwicklungsvorstand Fröhlich. Dennoch glaubt BMW-Entwickler Klaus Büttner, dass selbstfahrende Autos ein Beitrag zu mehr Verkehrssicherheit in ·der Zukunft sein· werden. ,,Menschen sind clever", sagt er. ,,Aber Computer trinken nicht und werden niemals schläfrig."
MARTIN PREM