April 2015 / DV Immobilien Management GmbH
Arbeits- und Lebensraum Büro
Das alte Sprichwort übertreibt: Die berühmten Lemminge, obwohl sozial gut organisiert, „bringen sich gegenseitig um, wenn sie auf zu engem Raum zusammengepfercht sind“, erklärte Michael Ziegelmayer, Vizepräsident des Berufsverbands Deutscher Psychologen, jüngst im „FAZ“- Schwerpunkt „Büromythen“. Der Mensch dagegen ist „nur“ gereizt, unkonzentriert und schneller erschöpft, sobald er im Großraumbüro aufeinander sitzt. Aus Sicht der Beschäftigten, analysiert der Psychologe, gehe das „Totschlagsargument“ der Raumeffizienz im störenden Geräuschpegel unter.
Die Raumstruktur
Als Entwickler zentraler Büro-Standorte können wir jedoch Entwarnung geben: Gefragt sind längst Team- und Kombi-Lösungen, die wirklich produktiven Prozessen weit mehr entgegenkommen.
Dies ist die logische Folge einer (R)Evolution: Trugen früher mit Ärmelschonern gewappnete Angestellte Akten durch Bürofluchten, so transferieren wir heute bei kurzen Produktzyklen und komplexen Anforderungen Daten in Lichtgeschwindigkeit. Es gibt jene Routinetätigkeiten kaum noch, die im Großraum stattfanden.
Vielmehr verlangt die Wissensgesellschaft eine permanente Innovation und Rückkoppelung mit dem Markt, Netzwerke zwischen Geschäftspartnern und internen Units von der F&E bis zum E-Commerce. Zudem ist das Büro der zentrale Treffpunkt von immer mehr mobilen Beschäftigten. Was sich schwierig gestaltet, wenn man alle paar Meter gegen Wände läuft…
Fast schon als neuer Standard in der Bürowelt haben sich so flexible Raummodule für vier- bis sechsköpfige Units etabliert. Sie organisieren sich auf 100 oder 150 m2 meist problemlos selbst, während Großgruppen nur hierarchisch funktionieren. Zugunsten eigenverantwortlicher Teamarbeit muss allerdings eine echte Kommunikations- und Fehlerkultur gelebt werden.
Dann lassen sich zeitgemäße Organisationsmodelle durchaus auch auf größeren Flächen etablieren: Wichtig sind wirksame Trenn-/Akustikelemente, versetzte Arbeitszonen, Grüninseln, Einzelräume für vertrauliche Besprechungen, Rückzugsräume, Teeküchen… Mal ein paar Worte im Kollegenkreis zu wechseln, sollte nicht tabu sein. Das tut dem Betriebsklima wie den Bandscheiben gut.
Übrigens: Aktuelle Studien signalisieren, dass der prognostizierte Siegeszug des „Home Office“ zumindest ins Stocken geraten ist. Speziell gut ausgebildete Kräfte fühlen sich von den alltäglichen Kommunikationssträngen abgekoppelt. Auch der „Flur-Funk“ trägt eben zum „Insiderwissen“ bei.
Die Atmosphäre
Wir werden uns also kaum aus dem Büro verabschieden. Umso mehr sind Planungsprofis und Innenarchitekten gefordert: Wir brauchen menschliche Maßstäbe für Grundrisse und Möbel, natürliche Materialien, eine sensible Klimatisierung, warmes Licht, eine gute Dämmung… Schön ist auch die „Freiheit“, Fenster öffnen zu können. All dies trägt dazu bei, dass der Arbeits- auch als Lebensraum akzeptiert wird. Was kluge Köpfe bindet und einen echten Wettbewerbsvorteil darstellt.
Die „SZ“ hat in einem emotional gefärbten Beitrag im Ressort „Karriere“ die oft aschgraue „Würfelhusten-Einrichtung“ zugespitzt als „Sabotageakt“ allzu kostenfixierter Schreibtischtäter - sprich: Chefs - abgeurteilt. Schließlich habe die Buffalo Organization for Social and Technological Innovation mit ihrer „Bosti“-Studie (6000 Befragte/70 US-Konzerne) längst belegt, dass ein angenehmes Umfeld je nach Qualifikationslevel den Output um 15 bis 17 Prozent steigere.
Der Background
Traditionelle Bürokonzepte zu hinterfragen, bedeutet jedoch nicht, dass klassische Faktoren plötzlich obsolet wären. Bei zunehmender Mobilität bleiben neben leistungsfähigen Verkehrs- und ÖPNV-Systemen z. B. auch Parkplätze unverzichtbar.
Zugleich gewinnen technische Strukturen an Relevanz, die zwar als Standard gelten, in der Praxis – etwa in repräsentativen Gründerzeitbauten - aber keineswegs überall gegeben sind: extern Glasfaser-Netze, intern Plug-and-Play zur flexiblen IT-Konfiguration. Zumal mit der Digitalisierung neue Arbeit aus Betriebshallen ins Büro wandert. Weil mit CAD entwickelt, Mechanik durch Software ersetzt und die Logistik komplexer wird. 3D-Drucker und andere Tools potenzieren die Dynamik.
Denkt man diese Trends weiter, so ermöglichen intelligente Business-Landschaften eine neue Nähe von Arbeit und Wohnen, was letztlich grenzwertigen Verkehrslasten in den Städten entgegenwirkt.
Das Serviceumfeld
Dies führt uns zu einem anderen, nicht zu unterschätzenden Aspekt: Gerade junge Bewerber/-innen mit gesuchten Qualifikationsprofilen wählen Arbeitgeber nicht mehr allein nach dem Gehalt aus. Sie erwarten auch eine ansprechende Raumgestaltung, eine angenehme Atmosphäre und kurze Wege. Sprich: eine bessere Work-Life-Balance durch Gastronomie- und Einkaufsangebote, Fitness-Studios, medizinische Versorgung, Kinderbetreuung, Autoverleih uvm. möglichst nah im grünen Umfeld.
Der Kauf- oder Mietpreis pro m2 allein sagt bei Rankings also wenig: Das Preis-/Leistungsverhältnis zählt.